Ist mein Pferd ein Problempferd?
Warum schwieriges Verhalten immer eine Ursache hat
Schluss mit dem Etikett „Problempferd“
„Mein Pferd ist halt speziell“, „Die macht nur Probleme“ oder „Sie ist halt schwierig“ – diese Sätze kenne ich nur zu gut. Ich habe sie früher selbst gesagt. Und heute höre ich sie regelmäßig von Pferdebesitzer:innen, die nicht weiterwissen.
Hinter solchen Aussagen steckt meist Frust, Hilflosigkeit oder schlichtweg Unsicherheit, wenn sich ein Pferd plötzlich verweigert, sich widersetzt, scheut oder einfach nicht „mitmacht“.
Auch ich stand einmal genau an diesem Punkt – ratlos, überfordert, voller Zweifel und tief enttäuscht. Denn eigentlich sollte sich mit meinem ersten eigenen Pferd ein Kindheitstraum erfüllen.
Vom Problempferd zum Traumpferd – meine persönliche Geschichte
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als meine Stute Farola zu mir kam. Zuerst war ich überglücklich, doch dann kam die Enttäuschung. Alles, was ich mir mit meinem ersten eigenen Pferd fest vorgenommen hatte, schien zu scheitern. Nichts funktionierte.
Stattdessen waren Steigen, Buckeln und unkontrolliertes Rückwärtsrennen an der Tagesordnung. Ich war überzeugt: „Ich habe ein Problempferd gekauft.“
Was ich damals noch nicht wusste: Ich verstand ihre Bedürfnisse nicht. Ich kannte weder ihren Charakter, noch wusste ich, wie Pferde lernen oder wie sie die Welt wahrnehmen. Also suchte ich nach Antworten: fuhr zu Kursen, las Bücher, schaute Videos, nahm Einzelstunden und verbrachte jede freie Minute damit, mein Pferd besser zu verstehen. Ich hinterfragte mein Verhalten, änderte meine Einstellung und öffnete den Blick für eine neue Perspektive.
So begann nicht nur unsere gemeinsame Entwicklung, sondern auch mein Weg zur Pferdetrainerin 👉 Mehr über mich und meine Geschichte findest du hier.
Rückblickend war meine Vermutung, Farola sei ein Problempferd, schlichtweg falsch. Doch was brachte mich dazu, ihr so schnell diesen Stempel aufzudrücken ohne mich selbst zu hinterfragen?
Was ist eigentlich ein Problempferd?
Als Problempferd wird oft ein Pferd bezeichnet, das sich nicht wie erwartet verhält: Es widersetzt sich, verweigert, scheut oder zeigt Reaktionen, die der Mensch nicht einordnen kann oder die ihm sogar Angst machen. Hinter solchen Reaktionen steckt meist kein tatsächliches Problem, sondern ein nachvollziehbarer Ausdruck von Stress, Unsicherheit oder fehlender Klarheit.
Die Hintergründe dafür sind vielfältig, von inneren Spannungen bis zu äußeren Einflüssen und genau darauf gehen wir in diesem Blogartikel näher ein.
Das Etikett Problempferd lenkt den Blick weg von den Ursachen und schiebt die Verantwortung dem Tier zu statt zu fragen:
- Was will mir mein Pferd zeigen?
- Was will es mir sagen?
- Was kann ich verändern, damit es sich besser fühlt?
Denn was wir sehen, ist nicht Widersetzlichkeit, sondern ein Versuch, sich mitzuteilen.
In diesem Beitrag erfährst du, was mir geholfen hat, genau das zu erkennen und warum nicht mein Pferd das Problem war, sondern meine eigene Unsicherheit und das fehlende Wissen.
Verhalten verstehen: Wenn Pferde Probleme zeigen
Ein Pferd, das sich weigert, etwas zu tun oder panisch reagiert, hat immer einen Grund für sein Verhalten. Dieses Verhalten richtet sich nicht gegen den Menschen, sondern ist eine Form der Kommunikation. Statt direkt nach einem Problempferdetrainer in der Nähe zu suchen, müssen wir lernen, die Ursachen zu erkennen und die Verhaltensweisen unseres Pferdes zu verstehen. Dabei gibt es zwei grundlegende Kategorien:
1. Angeborene Verhaltensweisen
Diese Verhaltensmuster sind dem Pferd in die Wiege gelegt. Sie sind genetisch verankert, überlebensnotwendig und tief im Pferdegehirn gespeichert. Dazu gehören unter anderem:
- Instinkte, wie das Fluchtverhalten
- die sensorische Wahrnehmung über die Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Fühlen etc.)
- neurologische Reaktionen wie das Flight-Fight-Freeze-System
- der Einfluss von Hormonen auf das Verhalten
- Charaktereigenschaften und individuelle Persönlichkeitsmerkmale
- sowie zuchtbedingte Merkmale je nach Pferderasse
Diese Verhaltensweisen können wir nicht verändern. Aber wir können sie verstehen lernen, lenken, gezielt einsetzen und – je nach Situation – auch abmildern oder verstärken. So können wir etwa Fluchttendenzen in Vertrauen umwandeln oder das selbstbewusste Pferd in seinen Ideen stärken und so zur Mitarbeit motivieren.
2. Angelernte Verhaltensweisen
Im Gegensatz dazu stehen Verhaltensweisen, die sich das Pferd im Laufe seines Lebens durch Erfahrung angeeignet hat oder antrainiert wurden. Diese Erfahrungen beginnen bereits bei der Aufzucht durch die Mutterstute und der Herde und setzen sich fort durch:
- Haltungsform, Umfeld, tägliche Routinen
- positiven oder negativen Umgang mit Menschen
- Ausbildung, Training und Kommunikationsmuster
- Prägungen durch Stress, Schmerz oder emotionale Erlebnisse
Diese angelernten Verhaltensweisen sind zwar veränderbar, können aber zum Teil tief verankert sein. Das bedeutet: Sie lassen sich durch gezieltes, pferdegerechtes Training neu formen, benötigen aber Zeit, Wiederholung und ein klares Konzept. Je früher diese Erfahrungen positiv geprägt werden, desto stabiler ist das Fundament für ein kooperatives Pferd.
Kurz gesagt: Das Verhalten deines Pferdes hat immer einen triftigen Grund – es basiert auf angeborenen Instinkten oder gelernten Erfahrungen. Wer versteht, wie Pferde lernen und was sie wirklich brauchen, wird sehen, dass hinter dem vermeintlichen Problempferd oft einfach nur ganz normales Pferdeverhalten steckt.
Wenn du noch tiefer in dieses Thema eintauchen möchtest, dann empfehle ich dir das Buch: Forschung triff Pferd: Neuste Erkenntnisse für besseres Verständnis* von Prof. Dr. Konstanze Krüger und Dr. Isabell Marr.
Problempferd oder Charakterpferd?
Der Charakter deines Pferdes ist angeboren und unveränderbar und sollte genau deshalb nicht bewertet, sondern verstanden werden. Ob es eher instinktgesteuert reagiert oder als selbstbewusster Denker handelt, hat großen Einfluss darauf, wie du es sinnvoll trainieren kannst.
In meiner Arbeit begegnen mir immer wieder zwei Pferdetypen, die schnell als Problempferd abgestempelt werden: Die einen reagieren stark auf Reize, die anderen hinterfragen alles. Dabei geht es selten um Widersetzlichkeit, sondern um Persönlichkeit und das, was jedes Pferd braucht, um sich sicher und verstanden zu fühlen.
1. Instinktgesteuerte Pferde
Instinktgesteuerte Pferde handeln sensibel, schnell und oft unvorhersehbar – nicht, weil sie „schwierig“ sind, sondern weil sie sich unsicher fühlen. Sind sind schnell im Flight-Fight-Freeze-Modus, denken nicht mehr logisch, sondern wollen sich nur noch retten.
Fehlen klare Signale vom Menschen, versuchen sie, die Kontrolle selbst zu übernehmen, im schlimmsten Fall auch durch Flucht vor dem Menschen. Was instinktgesteuerte Pferde brauchen, ist Sicherheit und eine verlässliche klare Führung, um sich emotional regulieren zu können.
2. Selbstbewusste Pferde
Dieses Pferd denkt mit, entscheidet bewusst – und wird schnell als stur oder dominantes Pferd abgestempelt. Dabei ist es einfach selbstsicher und erwartet eine klare Führung. Es kann, will aber nur dann mitmachen, wenn es sich auch wirklich lohnt.
Die linke Gehirnhälfte ist aktiv, das Pferd handelt überlegt: Es testet Grenzen, nimmt Raum ein, will Ordnung herstellen, wie in der Herde. Bleibt der Mensch unklar, übernimmt es die Kontrolle.
Selbstbewusste Pferde brauchen keinen Druck, sondern eine klare Körpersprache, sinnvolle Aufgaben und eine Antwort auf eine eindeutige Frage: Wer bewegt wen?
Beide Typen sind keine Problempferde, sondern Pferde mit Persönlichkeit. Und genau da beginnt dein Weg zu einer besseren Zusammenarbeit: beim Verstehen statt Urteilen.
Du willst wissen, wie dein Pferd wirklich tickt? Im Pferde-Navigator lernst du, den Charakter deines Pferdes zu erkennen und das Training individuell darauf abzustimmen. Mit dem richtigen Wissen und Verständnis wird aus dem vermeintlichen Problempferd ein Partner, der mitdenkt, vertraut und wieder gerne mit dir arbeitet.
Was tun, wenn du denkst: Mein Pferd ist ein Problempferd
Bevor du in Panik verfällst und nach einem Pferdetrainer für Problempferde schaust, lohnt sich ein genauer Blick: Was will dir dein Pferd mit seinem Verhalten wirklich sagen? Nicht jedes auffällige Verhalten ist ein echtes Problem und nicht jedes Problem braucht sofort die große Lösung. Was du aber brauchst, ist Wissen, Beobachtungsgabe und die Bereitschaft, dich weiterzuentwickeln.
Hier findest du zentrale Fragen und Themenbereiche, die du prüfen solltest, bevor du über eine „Korrektur“ deines vermeintlichen Problempferdes nachdenkst:
1. Sind die Grundbedürfnisse deines Pferdes erfüllt?
Pferde brauchen: Sicherheit, Komfort, soziale Interaktion, Ressourcen und eine klare Absicht. Wenn diese Bedürfnisse nicht erfüllt sind, ist auffälliges Verhalten vorprogrammiert. Tipp: Hol dir meinen kostenlosen Horse-Fusion-Guide, in dem ich diese Bedürfnisse im Detail erkläre.
2. Kann dein Pferd sein natürliches Verhalten ausleben?
Pferde sind Herdentiere und ihre Hauptaktivitäten sind gemeinsames Fressen, Ruhen, Wache halten, Sozialkontakte, Bewegung, Gefahren einschätzen. Kann dein Pferd diese Dinge mit seinen Artgenossen den ganzen Tag tun? Wenn nicht, kann es langfristig körperlich und seelisch aus dem Gleichgewicht geraten.
3. Bist du dir der Instinkte deines Pferdes wirklich bewusst?
Pferde sind seit 50 Millionen Jahren Flucht- und Beutetiere, das ist tief in ihrer Biologie verankert. In bedrohlichen Situationen reagieren sie nicht trotzig, sondern instinktiv. Das ist kein Problem, sondern ein natürlicher Schutzmechanismus.
4. Kennst du die Sinne deines Pferdes?
Der Geruchssinn ist beim Pferd z. B. viel ausgeprägter als beim Menschen. Es riecht Gefahr, bevor du sie sehen kannst. Wer das weiß, kann anders mit plötzlichen Reaktionen umgehen – nämlich mit Verständnis statt Bewertung.
5. Weißt du, wie Pferde lernen?
Pferde lernen anders als Menschen. Die Equine Neurowissenschaft zeigt, wie du mit deinem Pferd auf Augenhöhe kommunizieren kannst und wie du Verhalten nachhaltig verändern kannst, ohne es zu überfordern.
In dem Buch Horse-Brain Human-Brain* von Janet L. Jones mit Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft erfährst du, wie das Pferd denkt, fühlt und handelt.
6. Nutzt du deine Körpersprache bewusst?
Pferde kommunizieren zu 95 % nonverbal. Wenn du lernst, deinen Körper bewusst einzusetzen, kannst du deinem Pferd viel klarer zeigen, was du wirklich willst ohne Druck, einfach durch Präsenz und Klarheit.
7. Kennst du den Charakter deines Pferdes?
Training funktioniert nicht nach einem festen Schema. Ein introvertiertes, sensibles Pferd braucht etwas völlig anderes als ein extrovertierter Denker. Wer den Charakter kennt, wählt die passende Strategie – nicht das nächste „Rezept“.
8. Hast du körperliche oder mentale Blockaden ausgeschlossen?
Oft liegt die Ursache für auffälliges Verhalten in unentdeckten Schmerzen oder innerem Stress. Ursachen können sein: schlecht sitzende Ausrüstung, Hufprobleme, alte Verletzungen oder mentale Überforderung z.B. durch Angst. Ziehe Fachleute hinzu, wenn du unsicher bist – lieber einmal zu viel als einmal zu spät.
9. Wie ist deine innere Haltung im Umgang mit deinem Pferd?
Deine Gedanken, deine Stimmung, deine Haltung, all das spiegelt sich im Verhalten deines Pferdes. Es liest dich in jeder Sekunde. Wer sein Pferd verändern will, sollte immer auch sich selbst reflektieren.
10. Suche dir Unterstützung, die euch beide sieht.
Wenn du allein nicht weiterkommst, ist das kein Zeichen von Schwäche, sondern von Verantwortung. Wichtig ist: Hol dir Hilfe von jemandem, der nicht nur das Verhalten deines Pferdes korrigieren will, sondern euch beide als Team versteht.
Du siehst: Die Liste an Themen, die du zuerst überprüfen oder lernen kannst, ist lang bevor du dein Pferd als Problempferd einordnest.
Wenn du dir dabei Unterstützung wünschst: Im Pferde-Navigator gehen wir genau diese Themen gemeinsam durch. Schritt für Schritt, individuell auf dich und dein Pferd abgestimmt. Du lernst, Verhalten zu lesen, Bedürfnisse zu erkennen und ein Training aufzubauen, das Verständnis statt Widerstand schafft.
Warum unsere Probleme mit dem Pferd eigentlich nur Missverständnisse sind
Was wir im Alltag oft als schwieriges Pferd, als Problempferd oder als widersetzliches Verhalten erleben, ist selten ein echtes Problem, sondern meist ein Missverständnis. Dein Pferd verweigert, scheut oder widersetzt sich nicht aus Trotz, sondern weil es in dem Moment keine andere Strategie sieht.
Ein unklarer Reiz, fehlende Sicherheit, körperliche Blockaden oder ein tief verankerter Instinkt: Dein Pferd verhält sich nicht gegen dich, sondern zeigt dir, dass etwas nicht passt. Verhalten ist Kommunikation. Und Kommunikation will verstanden werden.
Wenn du lernst, Pferdeverhalten zu lesen, zu erkennen, wie Pferde lernen und welche Bedürfnisse dein Pferd hat, brauchst du keine Etiketten wie „Problempferd“ mehr. Dann siehst du nicht das Problem, sondern den Weg zur Lösung.
Nicht das Pferd muss sich ändern. Sondern der Blick, mit dem wir es sehen.
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FAQ – Häufige Fragen zur Fragestellung „Ist mein Pferd ein Problempferd“
Gibt es überhaupt so etwas wie ein Problempferd?
Nein – für mich gibt es keine „Problempferde“. Es gibt Pferde mit Erfahrungen, mit Unsicherheiten, mit Charakter. Und es gibt Missverständnisse, fehlendes Wissen oder unklare Kommunikation. Was viele als „Problem“ bezeichnen, ist in Wahrheit ein Ausdruck von Stress, Instinkt oder Hilflosigkeit.
Woran erkenne ich, ob mein Pferd instinktgesteuert oder selbstbewusst ist?
Instinktgesteuerte Pferde reagieren schnell, sensibel, manchmal panisch – sie brauchen Sicherheit und emotionale Führung. Selbstbewusste Pferde denken mit, testen Grenzen und brauchen Klarheit in der Kommunikation. Beide sind keine „Problemfälle“, sondern Persönlichkeiten, die verstanden werden wollen.
Wie erkenne ich, ob mein Pferd Schmerzen hat oder „nur“ verweigert?
Ich achte sehr genau auf feine Signale, Veränderungen im Verhalten und hole bei Bedarf Expert:innen dazu – von der Ausrüstung bis zur Osteopathie. Mein Leitsatz: Lieber einmal zu viel nachfragen als ein echtes Problem zu übersehen.
Was kann ich tun, bevor ich mein Pferd als „schwierig“ abstemple?
Ich stelle mir Fragen: Sind seine Bedürfnisse erfüllt? Gibt es körperliche Ursachen? Bin ich innerlich klar und präsent? Versteht mein Pferd meine Körpersprache? Diese Reflexion hilft mir, Verhalten einzuordnen – und es nicht vorschnell zu bewerten.
Wann hole ich mir Hilfe – und worauf achte ich dabei?
Wenn ich nicht weiterkomme, suche ich gezielt nach jemandem, der uns beide sieht – nicht nur das Verhalten „korrigieren“ will. Ich wünsche mir Unterstützung, die Verständnis schafft, statt Druck – damit aus Unsicherheit echte Verbindung werden kann.
